Hanno Böck
Marseille77, CC by-sa 4.0 Leonhard Lenz, CC0 Anders Hellberg, CC by-sa 4.0 Martin Hearn, CC by 2.0
Die Erde hat sich um etwa ein Grad erwärmt und wir sehen zunehmend die Effekte
Hitzewelle und Wassermangel in Indien (Mai/Juni)
Hitzewelle in Europa (Juni/Juli)
Große Waldbrände nahe der Arktis
Grönland schmilzt deutlich schneller als erwartet
Alle Nationen der Welt haben sich darauf verständigt, die Erde um drei Grad zu erwärmen
Das ist nicht das was üblicherweise über das Pariser Klimaschutzabkommen gesagt wird
Die Nationen haben sich auf eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf "deutlich unter 2 °C" geeinigt.
Es sollen "Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C [...] zu begrenze".
Es gibt dabei aber ein Problem
Es gibt keinen Plan, wie das erreicht werden soll
Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht freiwillige Klimaschutzmaßnahmen, sogenannte Nationally Determined Contributions (NDCs), vor
Wenn man die bisherigen NDCs zusammenrechnet kommt man auf eine wahrscheinliche Erwärmung von etwa drei Grad
*Wenn* die bisherigen Selbstverpflichtungen eingehalten werden, was häufig nicht der Fall ist
Aktuell (~) | 1 °C |
Paris Ziel (ambitioniert) | 1.5 °C |
Paris Ziel (Minimum) | 2 °C |
Paris NDCs | 3 °C |
Aktuelle Politik | 3-4 °C (oder mehr) |
Michael McCormack, Deputy Prime Minister von Australien
Aber es gibt ja auch positivere Beispiele aus der Politik
Am 17. Juni hat Kanada einen Klimanotstand ausgerufen
Am 18. Juni hat die kanadische Regierung die Trans-Mountain-Ölpipeline genehmigt
Das sind natürlich Extremfälle, aber auch in Ländern in denen die Politik vorgibt zu handeln passiert sehr wenig oder nichts
Der IPCC fasst die Ergebnisse der Klimawissenschaft zusammen
2018 veröffentlichte der IPCC einen Spezialbericht über das 1.5-Grad-Ziel
Zwei zentrale Aussagen des Berichts:
1.5°C | 70-90% |
2.0°C | 99% |
1.5°C | 10% |
2.0°C | 100% |
1.5°C | 0.40 Meter |
2.0°C | 0.46 Meter |
1.5°C | 14% |
2.0°C | 37% |
Etwa 50% weniger Emissionen bis 2030, CO2-Neutral bis 2050
Sind die Prognosen des IPCC zu harmlos?
Wichtig: Ich möchte hier nicht die Wissenschaftler des IPCC diskreditieren, unter schwierigen Bedingungen wichtige Arbeit machen
Viele Wissenschaftler sind besorgt darüber, dass die IPCC-Berichte zu zurückhaltend sind
Scientific America: Scientists Have Been Underestimating the Pace of Climate Change
Klimawissenschaftler sagen uns, dass wir jetzt schnell handeln müssen, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abzuwenden, aber wir können das immer noch erreichen
Ähnliche Aussagen gab es bereits vor Jahren
Die wissenschaftlichen Daten wurden nicht optimistischer, im Gegenteil
Wie ist das möglich?
Alle 1,5-Grad-Szenarien und die meisten 2-Grad-Szenarien gehen von einer großen Menge von negativen Emissionen in der Zukunft aus
Bäume pflanzen ist auf jeden Fall gut, aber es hat Grenzen und steht in Konkurrenz zu anderer Landnutzung
CO2 unterirdisch einlagern
Zwischen 2006 und 2010 wurden in Deutschland eine Welle neuer Kohlekraftwerke geplant und gebaut, und es gab damals die erste größere Diskussion um CCS
"Ja, Kohlekraftwerke verursachen viel Kohlendioxid, aber das ist kein Problem, wir können die Kraftwerke mit CCS nachrüsten und das CO2 in Zukunft speichern"
Das ist nie passiert
In Deutschland war CCS sehr kontrovers und es gab viele Proteste, aber ähnliche Projekte sind auch in anderen Staaten gescheitert, in denen es nahezu keine Proteste gab
Es gibt heute nur eine Handvoll aktive CCS-Projekte, die meisten davon im Zusammenhang mit sogenannter "Enhanced Oil Recovery"
Wenn man über Technologien wie Carbon Capture and Storage spricht besteht immer das Risiko dass diese lediglich als Ausrede dienen, um weiterzumachen wie bisher
Wir sollten aber eigentlich über negative Emissionen sprechen, nicht über Kohlekraftwerke mit weniger Emissionen
Wenn man Energie aus Biomasse gewinnt (z. B. Biogas, Holzverbrennung) und die Emissionen auffängt hat man im Idealfall negative Emissionen
Das bringt natürlich all die Probleme mit sich die Biomasse-Energie sonst auch hat
Landnutzungsänderung verursacht selbst Emissionen (beispielsweise wenn Regenwald für Palmöl-Plantagen abgeholzt wird)
Die Erderhitzung wird sowieso zu Problemen bei der Nahrungsmittelproduktion führen, Bioenergie konkurriert mit Flächen für Nahrungsmittel
Realistischerweise wird Biomasse mit CCS nur eine geringe Rolle bei negativen Emissionen spielen
CO2 mit speziellen Maschinen direkt aus der Luft entfernen
Aus Landnutzungssicht ist das weniger problematisch, der Flächenverbrauch ist eher gering
Diese Maschinen brauchen natürlich Strom
Für 1,5-Grad-Szenarien könnte das bis zu 300 Exajoule pro Jahr benötigen
Carbon Brief: Direct CO2 capture machines could use ‘a quarter of global energy’ in 2100
Der heutige weltweite Stromverbrauch liegt bei 75 Exajoule
Optimistische IPCC-Szenarien bauen auf Technologien die es bisher nicht in größerem Maßstab gibt
Selbst wenn die Technologie funktioniert: Wie funktioniert das ganze politisch und ökonomisch?
Der vermutlich wichtigste Kritikpunkt am IPCC ist dass dieser bisher Risiken von sogenannten Kipppunkten und Rückkopplungseffekten nicht hinreichend berücksichtigt hat
Erwärmung führt zu mehr Erwärmung
Eis reflektiert einen Teil der Sonnenstrahlungsenergie.
Wenn das Eis schmilzt wird weniger Energie reflektiert und die Ozeane erhitzen sich mehr.
Es könnte zu einer Situation kommen, in der sich die Erhitzung verselbständigt und durch menschliches Handeln nicht mehr aufgehalten werden kann
Die "Heißzeit"-Studie warnt dass bereits bei 2 Grad Erwärmung ein solches Szenario denkbar ist
Trajectories of the Earth System in the Anthropocene, many authors, 2018
Es ist offensichtlich vielen Menschen nicht klar, welches Ausmaß und welche Risiken die Klimakrise mit sich bringt
Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat verglichen, wie häufig 386 prominente Klimawissenschaftler und 386 prominente Klimawandelleugner in US-Medien zitiert wurden
Die Leugner hatten 49 Prozent mehr Medienpräsenz insgesamt, in Mainstream-Medien war das Verhältnis ungefähr ausgeglichen
Es gibt ein paar Probleme mit den Methoden der Studie, aber das Resultat ist extrem eindeutig und desaströs
Medienpräsenz von Klimawandelleugnung ist nur ein Problem, ein anderes und in Deutschland vermutlich größeres ist das Thema schlicht zu ignorieren
Es gibt ein bisschen Bewegung bei einigen Medien
Der Guardian hat kürzlich angekündigt, Begriffe wie "Klimawandel" und "Globale Erwärmung" zu vermeiden und stattdessen von "Klimakrise" und "globaler Erhitzung" zu schreiben
Viele Medien hatten erklärt, in der Woche vor dem Klimaaktionstag im September schwerpunktmäßig über die Klimakrise zu berichten
(Guardian, CBS, The Nation, Spiegel)
Wir müssen aufhören, fossile Rohstoffe zu verbrennen, das ist offensichtlich
Das hier muss weg
Ich hab nicht viele gute Nachrichten, aber hier ist eine:
Erneuerbare Energien auszubauen ist deutlich einfacher als erwartet
Die Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umzustellen ist wichtig, aber es ist vergleichsweise einfach
Einige Sektoren lassen sich nur sehr schwer auf eine klimaneutrale Produktion umstellen
Wie wird Zement hergestellt?
Dieser Prozess ist alleine für 5 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich
(Die Gesamtemissionen der Zementproduktion sind noch höher, da der Energieverbrauch dazukommt)
Neben Kohlendioxid vor allem Methan, Lachgas und Fluorgase
Tierhaltung ist für etwa 15 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich
Kann die Menschheit jenseits von Emissionsreduktionen und Negativemissionen etwas tun, um dem Treibhausgaseffekt mit Technik entgegenzuwirken?
Verschiedene Ideen, teilweise relativ harmlos (weiße Dächer), teilweise gefährlich (Aerosole in der Atmosphäre versprühen), manche klingen wie Science Fiction (Spiegel im Weltall)
Geoengineering wird bisher nur wenig diskutiert und der IPCC schließt Solar Radiation Management explizit in seinen Szenarien aus
Chemikalien in großem Maßstab in die Atmosphäre zu sprühen ohne genau zu wissen welche Auswirkungen das hat klingt ziemlich gefährlich
Wenn wir in einer Situation enden in der die Wahl besteht zwischen Geoengineering oder einem in großen Teilen unbewohnbaren Planeten müssen wir diese Diskussion vermutlich führen
Ist alleine die Diskussion darüber schon gefährlich?
Ähnliches Problem wie bei CCS:
Manche werden denken dass Geoengineering ein einfacher Weg sei, unbequeme Emissionsreduktionen zu vermeiden
Im Sommer brannten im Amazonas-Regenwald große Flächen
Das ist ohne zweifel katastrophal und es besteht die Gefahr, dass der Regenwald einen Kipppunkt erreicht, an dem das gesamte System zusammenbricht
Menschen aus einem reichen Land, das für das hier verantwortlich ist
beschweren sich über arme Länder, die Ökonomie über Ökologie stellen
Reiche Länder sollten arme Länder dafür bezahlen, den Regenwald zu schützen
Kennt ihr diesen Herrn?
2007 hat Ecuador vorgeschlagen, das sogenannte ITT-Ölfeld im Yasuni-Nationalpark nicht auszubeuten, wenn die Weltgemeinschaft bereit ist, das Land für die Hälfte der entgangenen Einnahmen zu entschädigen
Einige Länder waren bereit das zu unterstützen (Frankreich, Spanien) und es gab in Deutschland in großen Teilen der Politik Sympathien für das Projekt
Deutschland hat sich letztendlich aus dem Projekt zurückgezogen, weil der verantwortliche Minister Dirk Niebel (FDP) "marktwirtschaftliche Mechanismen" bevorzugte
2013 scheiterte das Yasuni-ITT-Projekt
Eine Nachricht der reichen Länder:
Wir zahlen nicht für Euren Regenwald
Wir sollten anerkennen wie sehr alle bisherigen Bemühungen um Klimaschutz gescheitert sind
Fast nichts von dem was bisher getan wurde hatte einen relevanten Impact
Das ist ein Scheitern der Klimapolitik, der Klimadiplomatie und auch der klassischen Umweltbewegung
Was nötig wäre ist bisher nicht einmal Teil der politischen Diskussion
Wir müssen ehrlich sagen wie schlecht die Dinge stehen
Ich denke ein Teil des Problems war dass in der Vergangenheit oft versucht wurde, die Klimakatastrophe als "hoffnungsvolle" oder positive Geschichte zu erzählen, was letztendlich auch nur eine Form von Leugnung ist
Ich hätte zumindest ein paar Vorschläge was man nicht tun sollte
Technologische Innovationen, die darauf basieren, möglichst viel Strom sinnlos zu verbrauchen sind keine so tolle Idee
Was macht eigentlich die IT-Industrie beim Thema Klima?
Ratespiel: Was ist das?
Ich nenne es Googles Abteilung für die Beschleunigung der Klimakatastrophe
Wenn man ein bißchen runterscrollt
Don't be evil
Google ist hier nur ein Beispiel, alle großen Cloudprovider haben Kooperationsprojekte mit der Ölindustrie
How Google, Microsoft, and Big Tech Are Automating the Climate Crisis (Gizmodo)
Microsoft hat wenige Tage vor dem großen Klimaaktionstag am 20. September eine große Kooperation mit Schlumberger und Chevron angekündigt
https://fff-muenster.de/
https://extinctionrebellion.de/og/muenster/