Wissenschaft und Journalismus

Sumner et al, BMJ, 2014

Pressemitteilungen zu medizinischen Studien

40% enthalten übertriebene Schlussfolgerungen, die aus den Studien nicht hervorgehen (Kausalzusammenhänge, Übertragbarkeit von Tierversuchen auf Menschen).

Wenn solche Übertreibungen vorkamen, tauchten sie in 58% auch in Nachrichtenartikeln auf.

Wenn keine Übertreibungen in der PM vorkamen, tauchten sie nur in 17% der Nachrichtenartikel auf.

Schat et al, ntvg, 2018

20% PMs von niederländischen Unis übertrieben.

Wenn PM übertrieben: 92% Newsartikel ebenfalls übertrieben, sonst nur 6%.

Traue keiner Pressemitteilung

Bei Firmen-PMs dürfte das jeder Journalist für selbstverständlich halten.

Auch Pressemitteilungen von scheinbar objektiven Institutionen (Unis, Polizei) ist die selbe Skepsis angebracht.

Spiegel Online, 2014-12-10

Wer als Journalist gelegentlich mit Wissenschaftlern zu tun hat, mag Spitzer sofort: ein knalliger O-Ton nach dem anderen, kein Zögern, kein Abwägen, kein "So eindeutig kann man das nicht sagen". Im Gegenteil.

Ist das wirklich das Selbstbild von Journalisten?

Journalisten mögen knallige Aussagen mehr als vorsichtig und korrekt formulierte Fakten?

False Balance

Der Versuch, mehrere Positionen darzustellen und unparteiisch zu sein führt bei wissenschaftlichen Themen oft dazu, dass absurden Außenseiterpositionen viel Raum eingeräumt wird.

Typische Beispiele: Klimawandel, Impfen

Bei der BBC gab es dazu mehrere interne Untersuchungen und Maßnahmen.

An at times “over-rigid” (as Professor Jones describes it) application of the Editorial Guidelines on impartiality in relation to science coverage, which fails to take into account what he regards as the “non-contentious” nature of some stories and the need to avoid giving “undue attention to marginal opinion”. Professor Jones cites past coverage of claims about the safety of the MMR vaccine and more recent coverage of claims about the safety of GM crops and the existence of man made climate change as examples on this point. He suggests that achieving “equality of voice” may be resolved by the new 2010 Editorial Guidelines which incorporate consideration of “due weight” in relation to impartiality. A more common-sense approach to “due impartiality” would also help, he believes.

Was ist die Aufgabe von Journalismus?

Fakten verbreiten?

Geschichten erzählen?

Gute Geschichten

Die Wissenschaft hing jahrelang an einer Theorie. Dann kam ein einsamer Dissident, ein wissenschafter mit einem radikal anderen Ansatz, der das ganze Gedankengebäude über den Haufen warf und zeigte, dass alles ganz anders ist.

Ein moderner Galileo Galileo.

Sicher eine gute Geschichte, aber ziemlich sicher auch nicht korrekt.

Wissenschaft ist in aller Regel ein Annähern an die Wahrheit in kleinen Schritten.

Journalisten mögen persönliche Geschichten.

Noch eine Geschichte

Sie haben jahrelang versucht, dem kranken Jungen zu helfen. Nichts half, bis sie eines Tages das Mittel eines Alternativheilers ausprobierten. Sofort ging es dem Jungen besser.

Auch eine schöne Geschichte.

Solche Geschichten spielen sich tatsächlich ab, aber sie lassen keinen Schluss zu, ob tatsächlich das Mittel die Heilung verursacht hat.

Ein paar selbstkritische Fragen

Hätte ich über die Studie auch berichtet, wenn das Ergebnis das Gegenteil gewesen wäre?

Interessiere ich mich für Studienergebnisse, die meine Meinung bestätigen oder die mir offene Fragen beantworten?

Ändere ich meine Überzeugung zu einem Thema, wenn wissenschaftliche Ergebnisse das nahelegen?